Politik, auch wenn sie unkorrekt ist; soziale Belange; Weltgeschehen
Mittwoch, 4. November 2015
global news 3387 04-11-15: Was sind die Sprüche der Volkswirtschaft wert? Das Beispiel: Flüchtlinge und Merkels Ohnmacht
" Es ist immer wieder traurig und ärgerlich mitzuverfolgen, wie munter unsere Wirtschaftswissenschaftler an ihren vom deutschen Staat finanzierten Instituten ihre Sprüche klopfen, die dann die Politik begeistert und unkritisch aufnimmt, wenn sie ihr in den Kram passen. Nach allen Erfahrungen der Vergangenheit mit falschen Versprechungen machen sie munter weiter. Was wurde uns schon alles vom Euro versprochen, was von jedem weiteren Schritt in der neoliberalen Globalisierung, wie bei der Handelsliberalisierung in der WTO (zuletzt der Doha-Runde) oder dem noch verhandelten transatlantischen Handelsabkommen? Immer wissen sie genau, wieviel zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Wirtschaftsleistung das bringen wird. Immer ist es eine schöne Zukunft, die an Kohls "blühende Landschaften" gleich nach der Wiedervereinigung erinnert. Dabei hat sich keine Wissenschaft mit ihren leeren Versprechungen und Blindheit vor der nächsten Krise je so diskreditiert wie diese, so daß man die meisten ihrer Vertreter gar nicht als "Wissenschaftler" ansprechen möchte. Was sie verbreiten, ist oft nicht Wissen sondern sind Meinungen, meist neoliberale. Nachstehend bringe ich Ihnen ein treffendes Beispiel.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftswissenschaften ist eines dieser Institute. Sein derzeitiger Chef Marcel Fratzscher gehört nach seinem Lebenslauf zu den neoliberalen Globalisierern mit Stationen bei der Weltbank und bei der Europäischen Zentralbank, wo er die Abteilung "Internationale wirtschaftspolitische Analysen" leitete. Dazu zählte die Formulierung von Politikpositionen über internationale Themen, wie globale Wirtschafts- und Finanzfragen (u.a. globale Finanzmärkte, Handel, Wechselkurse, globale Finanzmarktstabilität) und die globale Finanzmarktarchitektur.
Nun als Präsident des DIW will er uns per Interview in "Die Welt" weismachen, daß die Millionen an Zuwanderern aus Afghanistan, dem Mittleren Osten und Afrika nach spätestens sieben Jahren dem deutschen Staat mehr bringen als sie kosten. Wie er das errechnet haben will, wenn es denn überhaupt errechnet wurde, verrät er natürlich nicht. Kein Wort verliert er zu den sozialen Spannungen, die auf Deutschland zukommen werden, wenn die Integration nicht so schön läuft, wie er wahrscheinlich bei seiner Projektion unterstellt.
Hier einige seiner Sprüche:
"Auch Deutschland hat bereits gezeigt, daß es Flüchtlinge erfolgreich integrieren kann. In Regionen, in denen der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund besonders hoch ist wie in Baden-Württemberg, ist auch das Bruttoinlandsprodukt höher."
Daß Flüchtlinge bereits erfolgreich integriert wurden, beweist für den Durchschnitt aller Flüchtlinge gar nichts, und schon gar nichts für die, die jetzt aus völlig fremden Kulturkreisen in Millionen-Stärke zu uns kommen. Und die größte Zuwanderungsgruppe aus der Türkei ist denkbar schlecht integriert.
Und weiß Fratzscher nicht, daß das BIP im "Schaffe-Schaffe-Land" Baden-Württemberg immer schon höher war als im Rest des Landes, schon wegen seiner mittelständischen Wirtschaftsstruktur und dem Schwergewicht auf dem in aller Welt gefragten Maschinenbau? Außerdem ist die Pro-Kopf Wirtschaftsleistung von Baden-Württenberg nur unwesentlich größer als der Durchschnitt und schlechter unter den Flächenländern als beispielsweise Hessen (Abb. 19027); auch war die Wirtschaftsentwicklung über die letzten Jahre dort nicht wesentlich besser als im gesamten Bundesgebiet (Abb. 18026). Mit den Flüchtlingen hat das rein gar nichts zu tun. Wer das als Wissenschaftler vorträgt, diskreditiert sich.
"Außerdem lehrt uns die Wissenschaft, dass Einwanderungswellen in der Vergangenheit keinen oder nur einen geringen Effekt auf die Arbeitsplätze und Löhne Einheimischer hatten. Flüchtlinge können wegen der Sprachbarrieren häufig nicht so schnell auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren. Außerdem rutschen bereits vorhandene Arbeitskräfte die Leiter hoch, weil sie sich wegen der Einwanderung weiterbilden."
Warum wurden den die Gastarbeiter seinerzeit importiert, wenn nicht um das Lohnniveau zu drücken? Und daß einheimische Arbeitskräfte sich wegen der Einwanderung mal eben weiterbilden, ist eine unbewiesene und ziemlich unwahrscheinliche Behauptung, zumal Weiterbildung immer einen Grundstock an Bildung verlangt, der in diesen Fällen sehr oft gar nicht vorhanden ist. Schon das "Außerdem lehrt uns die Wissenschaft" ist eine unglaubliche Anmaßung seinen Lesern gegenüber.
Und auf die Frage der "WELT", Teile der Union stellten wegen der Flüchtlingskrise auch den Mindestlohn in Frage, für den die Gewerkschaften lange gekämpft haben; müsse sich der DGB Sorgen machen, daß dieser Erfolg genau wie andere zurückgedreht würde? antwortet Fratzscher schlicht:
"Auf die Gewerkschaften kommen ein paar schwierige Jahre zu. Viele ihrer Errungenschaften könnten unter Druck geraten."
So einfach macht es sich ein Neoliberaler, dem der Mindestlohn wohl schon lange ein Dorn im Auge ist. Im September 2013 veröffentlichte er einen Artikel unter der bezeichnenden Überschrift "Falsche Hoffnung Mindestlohn". In einem Interview befürchtete er bis zu einer Million zusätzliche Arbeitslose und hielt das Niveau von 8,50 Euro für "riskant".
"Flüchtlinge schaffen Einkommen, steigern die Unternehmenserträge und erhöhen die Produktivität der Firmen. Davon profitieren auch ihre deutschen Kollegen. Und schließlich steigern die neuen Mitbürger die Nachfrage."
Das ist mit das Dümmlichste, was in diesem Interview gesagt wird. Beruflich schlecht vorbereitete Arbeitskräfte erhöhen gerade nicht die Produktivität. Wenn Unternehmen wirklich ihre Produktivität dauerhaft erhöhen wollen, müssen sie in effizientere Produktionstechnologien investieren. Mit billigen, schlecht ausgebildeten Arbeitskräften wird das nur verschleppt. Und die Nachfrage in Deutschland zu erhöhen, ginge viel schneller und ohne Integrationsprobleme, wenn man die Sozialleistungen (z.B. bei Hartz-4) erhöhte und den Mindestlohn auf ein höheres Niveau brächte (statt ihn nun mit den Flüchtlingen in Gefahr zu bringen).
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global news 3386 02-11-15: Asylsuchende aus Syrien: Der Merkel-Effekt jetzt auch in den Zahlen
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
1. Die Entscheidung
Es war eine einsame Entscheidung, ohne Anhörung des Parlaments und ohne Rücksicht auf die in der deutschen Bevölkerung nach einem Stimmungswechsel zu erwartenden Ängste. Es war auch eine Entscheidung ohne Rücksicht auf alle Informationen von der labilen Lage in den syrischen Flüchtlingslagern jenseits des Landes mit vier Millionen Menschen und unter den sieben Millionen an andere Orte innerhalb Syriens Geflüchteten. Am 25. August 2015 erklärte das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration:
"Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt. Die noch nicht abgeschlossenen Verfahren werden in Deutschland bearbeitet. Die Entscheidung hat humanitäre Gründe, zudem können dadurch die Verfahren schneller bearbeitet werden."
Ungarn reagierte prompt und schickte von nun an syrische und dann auch andere Flüchtlinge direkt nach Österreich und Deutschland weiter. Andere Durchgangsländer schlossen sich an. Wenig später wurden Züge und Busse eingesetzt, um die Menschen möglichst rasch aus dem Lande zu befördern. Die überraschende Meldung aus Deutschland ging um die Welt und bewog immer mehr Flüchtlinge aus Syrien und solche, die sich nun paßlos als Syrer ausgaben, zum langen, oft gefahrenvollen Marsch in das gelobte Land. Flüchtlinge aus anderen Ländern und mit anderen Pässen glaubten auf eine gleiche Behandlung pochen zu können, da ihre Lage nicht viel anders war.
Mehrere Flüchtlinge in Jordanien sagten in Telefoninterviews mit SPIEGEL ONLINE, die Ankündigung Deutschlands zur unbürokratischen Anerkennung von syrischen Asylsuchenden habe sich unter ihren Landsleuten wie ein Lauffeuer verbreitet. Auch die große Sympathie für Merkel, die von den Syrern in sozialen Netzwerken teilweise fast wie eine Heilige verehrt wird, bewegt offenbar viele der Flüchtlinge, über eine Reise nach Deutschland nachzudenken oder sie bereits zu planen.
2. Gewinner und Verlierer
Man weiß nicht, was Merkels wahre Motive waren. Hat sie einfach nur die Masse der zu erwartenden Flüchtlinge unterschätzt? Glaubte Sie, sich selbst entgegen ihrem Profil als eiserne Kanzlerin in ein humaneres Licht setzen zu können? Ahnte Sie bereits, daß die SPD am Ende die größeren Probleme bekommen würde, weil ihr Wählerpotenzial die größeren Lasten der Flüchtlingskrise würde schultern müssen? Oder war es einfach ihre christliche Überzeugung, die sie an den Folgen ihres Handels für sehr viele Deutsche vorbeisehen ließ?
Klar ist jedenfalls, wer auf deutscher Seite die Gewinner und wer die Verlierer der Flüchtlingskrise sein werden. Zu den Gewinnern gehören die Arbeitgeber, die sich einen enormen Nachschub an billigsten Arbeitskräften, entsprechenden Druck auf das gesamte Lohnniveau und am Ende ein Scheitern des gegen ihren Willen beschlossenen Mindestlohns erhoffen dürfen. Auf der Sonnenseite stehen ebenso diejenigen, die von den Gewinnen der Unternehmen besonders profitieren, wie Aktionäre, leitende Angestellte, aber auch die Hersteller von Wohnraum und Betreiber von Flüchtlingsheimen und viele schmarotzende Krisengewinnler. Zu den Gewinnern werden sich schließlich die zählen wollen, die unbedingt aus den Resten des Nationalstaats heraus in eine immer globalere und gleichzeitig neoliberalere Welt wollen. Typisch sind hier zwei Zitate aus der ZEIT vom Sonntag aus der Feder verschiedener Autoren, einer davon der Feuilleton-Redakteur der Zeitung. Das eine Zitat lautet allen Ernstes (als seien wir ewige Nazis):
"Diese irrsinnige Utopie, ein für alle Mal nur unter sich zu sein, kann nicht aufgehen. Wer nach nationaler Reinheit strebt, hat sich noch stets mit Blut besudelt. Wer die deutsche Geschichte betrachtet, weiß das."
Das andere Zitat klingt ähnlich:
"Derzeit beobachten wir wieder einmal den blutigen Zerfall von Vielvölkerstaaten: Syrien, Irak und Afghanistan versinken in Bürgerkriegen. Die Menschen machen sich auf den Weg nach Europa. Sie werden unser nationales Geschichtsbild zerstören. Dafür müssen wir ihnen dankbar sein. Wir werden die Gegenwart verlieren, wenn wir ihr Angebot ablehnen, ernst zu machen mit unity in diversity."
In keinem anderen Land der Welt würden seriöse Zeitungen mit solchen Sprüchen aufwarten, während gerade viele internationale Modelle, wie die Eurozone, die EU insgesamt oder die Schengenzone unter dem Ansturm nationaler Interessen versinken und die neoliberale Globalisierung, wie beim transatlantischen Handelsabkommen ITTP, auf den Widerstand von Mehrheiten der Bevölkerungen stößt.
Die Verlierer sind ebenso eindeutig diejenigen, die ohnehin zu den sozial Benachteiligten zählen. Sie vor allem werden die Konkurrenz um Arbeitsplätze, Sozialleistungen, billigen Wohnraum, bei den Wartelisten der Kassenärzte und um geeignete Kindergarten- und Schulplätze für ihre Kinder zu spüren bekommen. Sie können weder in feinere Viertel umziehen, noch auf Privatschulen und Privatärzte ausweichen. Es ist wie bei allen der letzten schweren Krisen des neoliberal gewandelten Kapitalismus. Für sie gibt es in dieser Konkurrenz keine Rettungsnetze wie für die Banken und deren private Gläubiger und Aktionäre. Sie werden sich mit Straßenprotesten zu wehren versuchen und, wenn auch das nicht hilft, den Versprechungen rechtsnationaler Kräfte Glauben schenken. An den Wahlurnen wird die SPD den weitaus höchsten Preis zahlen und jedes Platzen der Koalition an Flüchtlingsfragen wäre für sie verheerend.
3. Der Merkel-Effekt
Inzwischen sind die Zahlen der Asylantragsteller aus Syrien für September veröffentlicht. Gegenüber dem Vormonat kam es zu einem riesigen Sprung um 64 % auf rund 17.000, gegenüber dem Vorjahresmonat fast eine Verdreifachung (Abb. 19018). Das ist umso dramatischer als bis zur Registrierung der Anträge immer Verzögerungen auftreten, der Effekt des Hereinwinkens der Syrer also nicht sofort komplett eintreten konnte, und erst recht viele Syrer nicht sofort aus der Türkei nach Deutschland aufbrechen konnten. Auch bei Schweden kam es zu einem, wenn auch nicht ganz so starken Anstieg, da viele Syrer über Deutschland sofort nach Schweden weiter reisten, wo ein großer Teil von ihnen bereits Verwandte hatte. Insgesamt kamen nach Angaben des bayerischen Innenministeriums allein im Oktober 318.000 Flüchtlinge und wurde damit die erwartete Jahreszahl von 800.000 bereits erreicht. Die Zahl vom Oktober lag damit noch einmal fast doppelt so hoch wie im September, so daß sich auch für die nachstehende Grafik zu den Syrern einen weiterer Knick nach oben ergeben hat.
Auf der Basis der UN-Daten ist abzulesen, wo bis September 2015 die Flüchtlinge herkamen, für die als Gesamtzahl der Asylanträge aus allen Ländern eine halbe Million angegeben wird (siehe dazu hier). Sie kamen auch bereits aus der Tiefe Afrikas. Inzwischen geht selbst Merkel von 1 Million neue Flüchtlinge allein in diesem Jahr aus.
Siehe dazu auch mein neues Buch "Die Zweite Völkerwanderung hat begonnen" (84 Seiten, 55 farbige Schaubilder, Preis 6,60 Euro). Das Buch ist jetzt im Online-Buchhandel (z.B. bei Amazon) oder direkt beim Verlag zu bestellen. Im lokalen Buchhandel dauert es jedoch noch etwas bis eine Bestellung aufgegeben werden kann.
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global news 3385 31-10-15: Wenn nun auch noch die Demographie die Wirtschaft bremst
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
Jetzt erlebt es China: Die Geburtenrate ist gewaltig gefallen, vor allem wegen der den Familien auferlegten Ein-Kind-Politik, bei der auch noch viel mehr Mädchen als Jungs abgetrieben und damit zukünftige Mütter gar nicht erst geboren wurden (Abb. 19018, 19023). Damit wird die chinesische Bevölkerung schon in 10 Jahren in einen sich beschleunigenden Schrumpfprozeß übergehen (Abb. 19021). Bereits im vergangen Jahr sank zum ersten Mal die Zahl der Beschäftigen (Abb. 19019). Andererseits steigt die Bevölkerung der über 60 Jahre Alten stark an (Abb. 19020).
Nun hat China unter dem Druck dieser Entwicklung die Ein-Kind-Politik aufgegeben. Doch das wird nicht viel helfen. Die Familien sparen, wo es geht, auch an Kindern, und asiatische Frauen um den Pazifik herum haben allgemein relativ wenig Kinder. Bei der letzten Lockerung der chinesischen Familienpolitik wurde 11 Mio. Paaren erlaubt, ein zweites Kind zu haben. Doch nur jedes zehnte Paar stellte den notwendigen Antrag.
Die Folge einer sinkenden und zugleich alternden Bevölkerung wirkt sich nicht zuletzt bremsend auf die Wirtschaft aus. China verliert damit einen Teil seiner Lokomotiv-Funktion für die Weltwirtschaft, auch für Deutschland. Gleichzeitig sinken aber ebenso in den meisten entwickelten Ländern die Geburtenraten mit ähnlichen Wirkungen auf die Wirtschaft, wobei diese Entwicklung nicht mehr durch entsprechende Steigerungen der Investitionen und davon ausgehend höhere Produktivität aufgefangen wird.
Die große Frage ist daher, wie die demografische Entwicklung wieder angekurbelt werde kann. Die OECD hat in diesem Zusammenhang untersucht, wie sich die öffentliche Unterstützung für Familien mit Kindern auf die Geburtenziffer auswirkt. Tatsächlich bestätigt die Untersuchung die Gleichung: Mehr Unterstützung = mehr Kinder (Abb. 19022). Das zeigt sich vor allem in den nordischen Ländern, Großbritannien und Frankreich.
Doch da kommt es sehr auf die Art der Unterstützung an. Am Wirkungsvollsten ist subventionierte Kinderbetreuung, die den Müttern erlaubt, ihren Beruf voll weiter auszuüben, wie dies beispielsweise in Schweden und Frankreich geschieht. Dagegen bewirkt längerer Mutter- oder Vaterschaftsurlaub vergleichsweise wenig. Direkte finanzielle Leistungen an die Eltern bringen die Geburtstermine nach vorn, aber erhöhen nicht die Gesamtzahl der Kinder. Ein gutes Beispiel ist in dieser Hinsicht Belgien. Nach Untersuchungen des Max Planck Instituts haben deutsch-sprechende Frauen, die Ende der 50er Jahre geboren wurden und auf der belgischen Seite der Grenze mit Deutschland wohnen, mit durchschnittlich 1,8 Kindern pro Frau mehr Kinder als die auf der deutschen Seite mit 1,65 Kindern. Belgien hat schon seit langer Zeit seine Kindergärten subventioniert.
Eine andere Methode, die Geburtenrate wenigstens zeitweise höher zu halten, ist die Zulassung oder gar Förderung von Immigration jüngerer Menschen aus Ländern mit traditionell hohen Geburtenraten, vor allem muslimischen. Das Problem, das sich auch Deutschland derzeit stellt, ist dann allerdings die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft und ein ausreichend rasches Erlernen der vergleichsweise schwierigen deutschen Sprache. Denn sonst wird Immigration nur zu einer weiteren einseitigen wirtschaftlichen Belastung. Die Integration in hochentwickelte Industriegesellschaften, wie die deutsche, hängt vor allem vom Bildungsstand der Immigranten ab.
In Deutschland wird derzeit viel auf die Bildung der syrischen Flüchtlinge gesetzt. Bisher liegen dazu keine verläßlichen Daten vor. Selbstauskünfte sind nicht überprüfbar und Abschlüsse oft nur eingeschränkt vergleichbar. Die einzigen systematisch erfaßten Daten sind Umfragedaten der türkischen Behörde für Katastrophen- und Notfallmanagement (AFAD) unter 12.000 Syrern ab 6 Jahren in der Türkei, die dort 2013 in den Lagern und außerhalb lebten. Sie zeigen fast 58 % ohne Schul- oder nur mit Hauptschulabschluß oder gar als Analphabeten (Abb. 19017). Allerdings ist unbekannt, wie in dieser Statistik mit den Kindern ab 6 Jahren verfahren wurde, die ja noch Ausbildungsmöglichkeiten vor sich hatten. Auch dürften die nach Deutschland geflohenen Syrer ein etwas besseres Ausbildungsniveau haben. Auf jeden Fall scheinen einige in Deutschland verbreitete Behauptungen über das besonders hohe Bildungsniveau der Syrer, das angeblich sogar höher als das deutsche sein soll, dramatisch übertrieben zu sein.
In einem Bericht für die OECD vom Mai 2013 (Universal Basic Skills, What Countries Stand to Gain) fanden Hanushek und Wößmann aufgrund standardisierter Schülertests, daß ca. 65% der syrischen Schulabgänger nicht über Basiskenntnisse in Mathematik, Textver-ständnis und Logik verfügen. Damit gehört Syrien zu jenen der 70 untersuchten Länder, die ein vergleichbar schlechtes Schulsystem haben. Das gilt auch für die Länder des Westbalkan: In Albanien liegt der Anteil der Schulabgänger ohne Basiskenntnisse bei 59%, in Mazedonien bei 57% und in Serbien bei 39%. In Deutschland beträgt er 15%. Wie gesagt, das Bildungsniveau der bisher zugewanderten Syrer kann durchaus etwas besser sein, als der Durchschnitt in Syrien, zumal ein nicht unerheblicher Teil der nach Deutschland gelangten Flüchtlinge jedenfalls bisher aus dem Bürgertum kommt.
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global news 3384 29-10-15: Erste europaweite Umfrage zur Flüchtlingskrise
Das französische Institut Ifop befragte in sieben europäischen Ländern vom 16. bis 22. September 2015 Menschen nach ihrer Haltung zur Flüchtlingskrise. Befragt wurden dabei jeweils mindestens 1000 Menschen. Das Ergebnis zeigt die Sonderrolle der Deutschen, die bis zu diesem Termin im September noch völlig anders reagierten als ihre europäischen Nachbarn. Ob sie dabei angesichts des Drucks von Bundesregierung und Medien in Deutschland immer ihre ehrliche Meinung sagten, mag dahinstehen. Auch scheint sich seitdem die Meinung etwas weniger positiv eingestellt zu haben, wie eine Zusatzbefragung im Oktober herausfand.
Die erste Frage war leider unqualifiziert: "Sind Sie dafür oder dagegen, dass die Migranten, die zu Zehntausenden an den italienischen und griechischen Küsten ankommen, auf die verschiedenen Länder Europas verteilt werden, und dass Ihr Land einen Teil von ihnen aufnimmt?". Natürlich werden viele Deutsche dafür sein, weil ihnen ja die Bundesregierung eine europäische Wegverteilung von Flüchtlingen verspricht. Dennoch meint die Süddeutsche Zeitung grob vereinfachend und irreführend: "Deutschland bleibt offen für Flüchtlinge, denn die Deutschen wollen es so". Eine reine Manipulation!
Die anderen Fragen sind seriöser. Auf die Frage "Wenn wir viele Migranten aufnehmen, wirkt das wie ein Lockruf, der noch mehr Menschen zum Aufbruch nach Europa veranlaßt?" waren die Deutschen im September noch die Entspanntesten, im Oktober mit immer noch 74 % Ja-Stimmen nicht mehr ganz so (Abb. 19012).
Auf die Aussage "Unser Land hat die wirtschaftlichen und finanziellen Mittel, um Migranten aufzunehmen" gibt es in Deutschland immer noch die wenigsten Nein-Stimmen (Abb. 19013).
Ebenso gibt es auf die Aussage "In unserem Land gibt es bereits viele Ausländer oder Menschen ausländischer Herkunft. Daher ist es nicht möglich, noch zusätzliche Einwanderer aufzunehmen" in Deutschland die geringste Zustimmung (Abb. 19014). Das ist umso eigenartiger, als Deutschland weit mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als die anderen 6 Länder.
Schließlich sind die Deutschen bisher mit am Wenigsten besorgt, daß sich unter den Flüchtlingen potenzielle Terroristen befinden könnten (Abb. 19015).
Alles in Allem zeigt sich noch immer eine ziemliche Naivität vieler Deutscher, die den Parolen von Bundesregierung und Medien blind folgen, und denen man einredet, man brauche die Immigranten als Ersatz für fehlenden eigenen Nachwuchs dringend und daß die Immigranten mehr für die öffentlichen Kassen brächten als sie herausholten (undenkbare Argumente in anderen Ländern). Doch das wird sich ändern, je mehr Flüchtlinge ankommen und wenn die Bundesregierung weiter keinen halbwegs geordneten Zustand herstellen kann.
Jedenfalls fällt die CDU/CSU erheblich bis zur letzten Sonntagsfrage, die AfD steigt auf 8,5 %.
Nun beginnen auch die Verbände der Wirtschaft in Flüchtlingsfrage auf Distanz zu Merkel zu gehen, nachdem sie sich zunächst so positiv geäußert hatten. Nach Informationen der ZEIT berieten in der vergangenen Woche hochrangige Vertreter der wichtigsten Wirtschaftsverbände in Berlin in kleiner Runde über die Folgen der Flüchtlingskrise. Dabei hätten sich nach Angaben von Teilnehmern praktisch alle Anwesenden "sehr besorgt" über den anhaltenden Wanderungsdruck geäußert. Vor allem der Mittelstand zeige sich zunehmend skeptisch. "Die Vorstellung, dass die Flüchtlinge unser Fachkräfteproblem lösen, ist blauäugig", sagt Michael Knipper, Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Viele Flüchtlinge verfügten über eher niedrige Qualifikationen. Die Regierung müsse den "weiteren unkontrollierten Zustrom begrenzen". Man wolle nicht als "Mahner" auftreten, heißt es in einem großen Verband. Es mache sich aber zunehmend eine "kritische Grundstimmung" breit. Ein anderer Verbandsvertreter fürchtet sogar, daß die Flüchtlingskrise zu einem "Investitionsrisiko" für Deutschland werden könne - denn wer würde Geld in ein Land stecken, wenn dort die gesellschaftlichen Spannungen zunähmen.
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global news 3383 27-10-15: Was tun, wenn man Flüchtlinge nicht einsperren kann?
Schon auf der Balkan-Route lassen sich Flüchtlinge weder ein- noch aussperren. Am Ende finden sie immer wieder den Weg nach Deutschland als das Land, daß angeblich keine Obergrenze für Flüchtlinge einführen will. Immer noch hält die Bundeskanzlerin an ihrem "Wir schaffen das" fest, als könnte sie allein das schon richten.
Auch drohen inzwischen die Durchgangsländer auf der Balkanroute, ihre Grenzen wie Ungarn abzuriegeln, falls Deutschland nicht mehr alle Flüchtlinge hereinlassen sollte. Dann würde die menschliche Katastrophe im Niemandsland steckenbleibender Flüchtlinge Deutschland erst recht zwingen, die Grenzen wieder für alle zu öffnen oder auch die Transitzonen an den deutschen Grenzen, über die immer noch diskutiert wird, wieder zu schließen, sollten sie jemals eingerichtet werden. Zu groß ist einfach der Sog, den die Bundeskanzlerin mit ihrem unbedachten Hereinwinken ausgelöst hat. Viele der jetzt die lange Reise riskierenden Flüchtlinge wollen zu denen kommen, die schon bei uns sind. Andere können auf Familienzusammenführung pochen. Wieder andere glauben immer noch an Deutschland als das gesegnete Land für sie. Den Korken wieder in die Flasche zu bringen, wenn alle Aufnahmekapazitäten in Deutschland demnächst erschöpft sein werden, wird kaum möglich sein und auf jeden Fall unheimlich viel Geld kosten, um die Lager jenseits der EU für Flüchtlinge attraktiver zu machen und abgelehnten Flüchtlingen die Rückkehr schmackhaft zu machen.
Inzwischen unbestritten werden es in diesem Jahr weit über eine Million Neuankömmlinge sein. Selbst die einsetzende kältere Jahreszeit schreckt sie bisher nicht ab. Die jetzt vereinbarte Einrichtung winterfester Zwischenstopps entlang der Balkanroute wird eher den Verkehr selbst während der kalten Jahreszeit ermöglichen.
Die nun angeblich stattfindende schnellere Abschiebung aus Deutschland nach Asylablehnung hilft nur bedingt. Da man Flüchtlinge nicht einsperren kann, tauchen viele nach Ablehnung ihres Asylantrags oder kurz vor der Abschiebung in die Illegalität ab oder stellen gar nicht erst den aussichtslosen Antrag. Andere haben angeblich ihren Paß verloren, so daß man nicht weiß wohin man sie abschieben soll, bis aufwendige Gutachten eventuell die Herkunft verraten. Generell raten die Fluchthelfer und Schleuser deshalb, keine Pässe mitzuführen und Fingerabdrücke zu verweigern. Die Umverteilung der Flüchtlinge in der EU kommt ebenso wenig voran. Von der äußerst bescheidenen Zielgröße bei 160.000 sind bisher gerade einmal 940 verteilt worden. Der Plan war ohnehin von 15 EU-Ländern abgelehnt worden und nicht nur denen aus Osteuropa, wie in Deutschland meist fälschlich gemeldet wurde.
Aber auch in Deutschland verläßt ein großer Teil der Flüchtlinge die ihnen im Rahmen der Verteilung zugewiesenen Notquartiere eigenmächtig und begibt sich an andere Orte, wo schon Freunde oder jedenfalls große Gruppen gleicher Ethnizität zu Hause sind, so daß eine ordentliche Behandlung von Asylanträgen stark erschwert wird. Am Ende entstehen so die riesigen Diasporen, in denen die Zugewanderten in Teilen der Großstädte unter sich bleiben, weiter ihre eigene Sprache sprechen, ihre Gebräuche beibehalten und sich der Integration verweigern. Schon jetzt sind wesentlich höhere Anteile der Menschen aus den Asylländern, die auf Hartz-4 angewiesen sind, zu verzeichnen als bei Deutschen (Abb. 19011).
In der Isolation der Diasporen kommen die Flüchtlinge dann sehr oft nicht in den deutschen Arbeitsmarkt oder können nur zu Dumpinglöhnen oder gar nur schwarzarbeiten und müssen im Übrigen von öffentlichen Sozialleistungen leben. Die für die Verteilung in Deutschland Verantwortlichen haben schon längst resigniert: "Einsperren könne man die Flüchtlinge nicht".
Es verrät eine unglaubliche Naivität (oder ist es nur Verzweifelung?), wenn die Bundeskanzlerin öffentlich erklärt:
"Ich plädiere für möglichst viele Begegnungen (mit Flüchtlingen), um keine Vorurteile aufkommen zu lassen. Dann wird die Integration gelingen. Ja, es sind sehr, sehr viele. Aber wir sind 80 Millionen."
Sie vergißt dabei, daß wir schon 17 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation mit ihren Kindern bei uns haben, und bei den Kindern in Deutschland unter 5 Jahren schon 35 % einen Migrationshintergrund haben, und vergißt dann absichtsvoll, daß eine erfolgreiche Integration in erster Linie von den Flüchtlingen selbst mit ihrer Integrationsbereitschaft und ausreichenden Bildung abhängt und nicht so sehr von unseren Begegnungen mit ihnen.
Siehe dazu auch mein neues Buch "Die Zweite Völkerwanderung hat begonnen" (84 Seiten, 55 farbige Schaubilder, Preis 6,60 Euro). Sie können ihr Interesse hier unverbindlich vormerken, Inhalt hier. Das Buch ist total auf Fakten und die neuesten statistischen Daten gestützt.
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global news 3382 24-10-15: Verspäteter Nachruf auf Nachdenkseiten
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
Als ich vor mehr als 10 Jahren das Infoportal startete, gab es Albrecht Müllers Nachdenkseiten (NDS) schon. Ich kannte ihn aus seiner Zeit als Hinterbänkler der SPD-Bundestagsfraktion Ende der 80er Jahre, als ich bis 1992 als Ministerialdirigent im Bundeswirtschaftsministerium arbeitete. Wir kamen 2005 auch über eine Kooperation der beiden Webseiten, die eine ähnliche politische Ausrichtung hatten, ins Gespräch. NDS brachten einige Beiträge von mir. Doch die Kooperation scheiterte, weil Müller meine globalisierungskritische Haltung nicht teilte. Für ihn war die neoliberale Globalisierung ein "alter Hut", mit dem man leicht fertig werden würde. Mir warf er öffentlich vor, mit meiner Kritik eine Angstkampagne zu betreiben. Er hatte sich in seinem Buch "Die Reformlügen" festgelegt und hielt halsstarrig, wie er nun mal ist, daran fest. Meinen globalisierungskritischen Beiträgen versperrte er als oberster Zensor den Weg in NDS.
Leider wurden NDS unter Müllers Einfluß über die Jahre immer demagogischer und einseitiger. Nicht mehr die Fakten zählten, sondern Meinungen, und natürlich vor allem Müllers eigene. Die Welt wurde immer mehr in "Gute" und "Böse" aufgeteilt und den angeblich "Bösen" wurde das Schlimmste unterstellt. Im Hintergrund regeln mächtige Drahtzieher unser Schicksal. Widerstand, zu dem NDS ständig aufrufen, ist eigentlich sinnlos und vergeblich. Das Freund-Feind-Denken macht die Welt überschaubar und ist für einfache Gemüter die große Verführung. So sammeln sich bei NDS vermutlich vor allem Leser an, die ein so dramatisch vereinfachtes Weltbild teilen. Großes Nachdenken bleibt ihnen erspart. NDS regt nicht dazu an, sondern gibt die Meinung vor. Mit der Aufnahme von Jens Berger in den Herausgeberkreis hat sich die einseitig irreführende Tendenz der NDS noch weiter verfestigt.
Mitherausgeber Wolfgang Lieb hat offensichtlich jahrelang versucht, den Kurs zu korrigieren. Jetzt hat er das Handtuch geworfen und sich mit einer langen Erklärung verabschiedet. Sie enthält weitgehend dieselben Vorwürfe an Müller und seine Ausrichtung der NDS, die ich immer wieder erhoben habe. Schade um NDS, die vor vielen Jahren wenigstens noch halbwegs seriös waren.
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global news 3381 23-10-15: Eindrücke von der Flüchtlingskrise
Derzeit bin ich wieder einmal im Rheinland in einer mittleren, hier nicht zu benennenden Stadt von 70.000 Einwohnern zu Besuch. Der Unterschied zu meinem fernen Irland mit dem weiten Blick auf den Nordatlantik könnte kaum größer sein.
Einst im Jahre 1995 ließ in dieser Stadt der saudische König auf Einladung des Bundeswirtschaftsministers eine große Akademie mit Moschee bauen. Mit diesem Deal wollte der Minister dem deutschen Export in das Königsreich dienen. Heute gibt es nun vier offen ausgewiesene Moscheen und wahrscheinlich noch eine Menge anderer. Der Anteil derer mit nicht-deutscher Herkunft und meist muslimischer Religion an der Gesamtbevölkerung ist auf 46 % (!) gestiegen. Bald werden sie in der Mehrheit sein und auf das Schicksal der Stadt politisch noch mehr Einfluß nehmen können. Die Parteien werden eines Tages bei Bürgerschaftswahlen nur noch Spitzenkandidaten mit Migrationshintergrund aufstellen, um eine bessere Chance auf Mehrheiten zu haben.
Unter Alteinwohnern kursiert schon der Name "Neukölln". 2011 drehte RTL eine Reportage über den Ort mit dem Titel "Angst vor den neuen Nachbarn". Er war der steigenden, von den seit vielen Jahren Zugewanderten und ihrem Nachwuchs ausgehenden Kriminalität gewidmet. Nachbarn haben mir empfohlen, bei Dunkelheit nicht durch den Stadtpark zu gehen, was ich früher immer bedenkenlos getan hatte. Die 46 % Fremdstämmigen beherrschen das Stadtbild bereits total, schon weil die Frauen zum größeren Teil anders bekleidet sind. Ein lokaler Antiquitätenhändler wurde bedroht, weil er ein Marienbild in seinem Schaufenster hatte - auch das typisch. Während meiner gelegentlichen Aufenthalte hier habe ich mir angewöhnt, soweit erkennbar bei den voll oder teilweise zugehängten Frauen und anderen Zugewanderten die Kinderwagen zu zählen und dann mit denen der Deutschstämmigen zu vergleichen: meist sind die der Zugewanderten bei den Kinderwagen in der Mehrzahl. Auch das ein Blick in die Zukunft! Wer mehr aus einer eher linken deutschen Zeitung lesen will, findet einen schon vier Jahre alten Bericht hier.
Gelegentlich kommen Salafisten auf den Marktplatz, verschenken den Koran auf Deutsch und versuchen, Anhänger unter den Ungläubigen zu finden. Die LINKE plakatiert schon auf Arabisch "Gleiche Rechte für Alle". Meint sie damit auch das Aufenthaltsrecht für alle Zugewanderten, wo immer sie herkommen, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, das deutsche Kindergeld usw.? Warum plakatiert sie nicht ebenso in muslimischen Ländern, wo keine christlichen Kirchen gebaut werden dürfen und beispielsweise in Saudi-Arabien die deutsche Botschaft an Weihnachten die Fenster geschlossen halten muß, damit keine deutschen Weihnachtslieder auf die Straße dringen können?
Das Bürgertum alter Zeiten hält in einem Villenviertel und in einigen wenigen vornehmen Randlagen aus. Dafür ist die Konzentration der Zugewanderten in der Innenstadt und den ärmeren Vierteln umso größer. Viele der traditionellen Geschäfte haben geschlossen und sind durch orientalische Läden und Restaurants ersetzt worden. Die zahlreichen Parabolantennen weisen fast alle auf Stationen im Morgenland.
Heute erreichte mich eine Zuschrift eines Rundbrieflesers aus dem Vogelsbergkreis in Hessen. Dort hat man alles getan, um über 500 Flüchtlinge unterzubringen. Sie kamen, doch nur 75 blieben. Alle anderen setzten sich auf eigene Faust einfach ab. Der Landrat vermutet, sie wollten zu Verwandten, die häufig in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln lebten. Ob auch dies Teil der uns von der Bundesregierung versprochenen "ordentlichen" Prozeduren sein soll? So entstehen die großen Konzentrationen, die die Integration der Zugewanderten enorm erschweren und immer mehr Zuwanderer ins Land bringen. Neukölln ist eben fast überall.
Ich frage mich unwillkürlich, ob es schon eine Abwanderung der heimischen Bevölkerung mindestens aus bestimmten Stadtvierteln gibt. Bei einem Besuch in Washington fand ich vor einigen Jahren für mich überraschend gleich hinter dem Kapitol Stadtviertel, aus denen die ursprünglich weiße Bevölkerung total abgewandert war. Ich verirrte mich am Sontag auf der Suche nach einer richtigen Gospelandacht dort in einer Kirche, in der allerdings nur die ursprüngliche Bevölkerung war, weil sie die Kirche nicht mitnehmen konnte und nun am Sonntag dorthin zurück findet. Das kam mir jetzt in Erinnerung.
Die Stadt vermittelt jedenfalls schon jetzt, bevor die Flüchtlingskrise noch weitere Umwälzungen im Stadtbild bringen wird, einen Eindruck, wie es morgen auch außerhalb der Großstädte fast überall in Deutschland aussehen wird. Ich habe Angst vor dem Rechtsradikalismus, den das nach sich ziehen wird. Ist dann auch Dresden überall?
Diese Erlebnisse sind ein starkes Motiv für mich gewesen, mein neues Buch "Die Zweite Völkerwanderung hat begonnen" zu schreiben (84 Seiten, 55 farbige Schaubilder, Preis voraussichtlich 6,60 Euro). Sie können ihr Interesse hier unverbindlich vormerken, Inhalt hier. Das Buch ist total auf Fakten und die neuesten statistischen Daten gestützt.
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"In times of universal deceit, speaking the truth is a revolutionary act." "If liberty means anything at all, it means the right to tell people what they do not want to hear" George Orwell
global news 3380 17-10-15: Vom syrischen Regen in die türkische Traufe
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
Die EU - und vor allem Deutschland - ist mit dem Zustrom an Flüchtlingen total überfordert, spätestens seit Deutschland mit Merkel und der neudeutschen Willkommenskultur die deutschen Grenzen weggeräumt und die Dublin-Vereinbarung über die Erstregistrierung von Flüchtlingen gebrochen hat. Da man sich auch über die Verteilung der Flüchtlinge nicht einigen kann, konzentriert sich die EU auf die Wacht an den Außengrenzen. Doch Griechenland, wohin ein großer Teil der Flüchtlinge von der Türkei aus strömt, kann oder will seine Grenze nicht schützen. Damit bleibt nur der Kniefall vor dem Diktator und derzeitigen Kriegsherrn Erdogan, der gerade noch von der EU ins politische Abseits gestellt worden war. Denn der könnte den Daumen auf einen großen Teil der etwa 4 Mio. Syrer halten, die in Syrien benachbarten Ländern leben (Abb. 18998).
Doch Erdogan kennt seinen Wert und schraubt den Preis für seine Hilfe hoch. In dem mit der EU-Kommission bereits ausgehandelten Vertragsentwurf fordert er 3 Mrd. Euro (bisher angeboten waren 750 Mio. Euro), einen Fortschritt in weiteren fünf Kapiteln des noch verhandelten Beitrittsabkommens zur EU und eine Erklärung, daß die EU der Türkei beim Beitrittsprozeß helfen würde (soll wohl finanzielle Hilfen bedeuten). Als Vorableistung fordert Erdogan eine Aufnahme der Türkei in das Schengenabkommen und damit den visafreien Zugang seiner 75 Mio. Türken zur EU bereits ab kommendes Jahr.
Die Türkei hat ein großes Problem mit ihrer stark wachsenden muslimischen Bevölkerung, vor allem im asiatischen Anatolien. Nach Vorausberechnung des UN Bevölkerungsprogramms wird sie allein in den kommenden 15 Jahren um mehr als 9 Mio. zunehmen und bis 2050 auf fast 96 Mio. ansteigen und damit die Zahl der deutschen Bevölkerung weit hinter sich lassen (Abb. 18999). Als Teil der EU würde die Türkei nicht nur mit zusätzlicher Industrieverlagerung zu ihren Gunsten rechnen können sondern auch mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit, so daß sie die zunehmende Arbeitslosigkeit in die EU abschieben könnte.
Der Rat hat beim Flüchtlingsgipfel mit starker Unterstützung durch die deutsche Kanzlerin den Vertragsentwurf mit der Türkei begrüßt. Laut Ratsdokument würde eine erfolgreiche Umsetzung des Vertrags die Aufhebung des Visumzwangs (Zulassung der Türkei zum Schengenraum) beschleunigen. Der Beitrittsprozeß müsse wieder verstärkt werden mit dem Ziel, Fortschritte in den Verhandlungen zu erreichen. Frau Merkel, die nun zu Erdogan reist, erklärte am Rande des Gipfels: "In Zukunft müssen wir uns mehr an der Lastenteilung beteiligen, wenn wir daran denken, daß die Türkei praktisch in der Vergangenheit allein gelassen wurde. Wenn wir sagen, daß die Türkei tatsächlich 7 Mrd. Euro über die letzten Jahre ausgegeben hat, dann würde das bedeuten, daß die EU eine vergleichbare Summe schultert."
Vielleicht werden es nach einer solchen Vereinbarung weniger zusätzliche syrische Flüchtlinge in der EU. Dafür aber könnte es zu einem unkontrollierten Zustrom von Türken vor allem nach Deutschland kommen, wo bereits die meisten Auslandstürken in der EU wohnen. Auf jeden Fall wären die Türken nach allen Erfahrungen mit deren von Anatolien her relativ geringem Bildungsniveau noch schwerer zu integrieren als die Syrer und in ihrer Zahl noch unberechenbarer. Sie könnten zwar zunächst in Deutschland als Ausländer nur schwarzarbeiten. Doch sollte die Türkei am Ende von den flüchtlingsgeschüttelten EU-Ländern den Beitritt zur EU erzwingen, so würden Einwanderer aus der Türkei in Deutschland auch legal und unbegrenzt an den Arbeitsmarkt kommen. Und das würde mit dem zu erwartenden Dumpingwettbewerb und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen die soziale Kluft in Deutschland nur noch weiter aufreißen, als das jetzt bereits mit den Millionen an Flüchtlingen geschieht.
Die soziale Kluft reißt schon jetzt immer mehr auf
Wie stark sich die Kluft bereits mit den derzeitigen Flüchtlingen öffnet, zeigen die letzten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Schon 436.000 Menschen aus Fluchtländern wie Syrien sind in Deutschland auf Hartz IV angewiesen. Die Tendenz ist stark steigend. Besonders dramatisch betroffen sind Syrer, weil die besonders zahlreich kommen und bisher wenig Zeit hatten, wenigstens rudimentäre deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben (Abb. 19000, 19001).
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles warnt bereits:
"Den vielen jungen Menschen einen Job zu verschaffen werde mehrere Jahre dauern. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger könne sich deshalb bis 2019 um eine Million auf mehr als sieben Millionen erhöhen, weil viele der Flüchtlinge nicht sofort Arbeit finden werden und Anspruch auf die Grundsicherung haben, wenn ihr Asylantrag anerkannt ist."
So hat sich die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger innerhalb eines Jahres um 20 % auf gut 160.000 bis September 2015 erhöht. Noch stärker zugelegt hat die Zahl aller Hartz-IV-Empfänger aus den Asylzugangsstaaten, einschließlich von Familienangehörigen. Sie wuchs von Juni 2014 bis Juni 2015 um 23,4 %. Dabei ist die Zahl der Arbeitslosen aus den nicht-europäischen Asylzugangsstaaten viel stärker gewachsen als die der Jobsuchenden vom Balkan.
Nach Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist von allen in Deutschland lebenden Syrern mehr als die Hälfte auf Sozialleistungen angewiesen. Bei Afghanen oder etwa Irakern sei dies kaum besser. Auch die lateinische Schrift kenne ein Teil dieser Flüchtlinge nicht. Manche seien auch gesundheitlich eingeschränkt und wegen der Kriegserfahrungen seelisch belastet. All dies erschwere den Sprung auf den Arbeitsmarkt, selbst bei niedrig bezahlten Jobs wie in der Pflege oder Reinigungsbranche.
Auch an den Tafeln für die Ärmsten zeigt sich immer mehr die Konkurrenz der Flüchtlinge. Nach Brühl, Vorsitzender des Tafelverbands, sind viele Tafeln an ihrer Belastungsgrenze. Sie unterstützen 150.000 Flüchtlinge täglich mit Lebensmitteln zusätzlich zu den etwa eine Million Nutzern. Bei einzelnen Tafeln im Süden und in Nordrhein-Westfalen sei die Situation dramatisch. Dazu Tafelverbandsvorsitzende Brühl: "Staatliche Stellen schicken die Menschen zum Teil ganz bewusst zu unseren Ausgabestellen. Eine unlautere Praxis. Schließlich bekommen die Tafeln von staatlicher Seite kaum Unterstützung. Bei uns werden die Menschen regelrecht abgeladen."
Spätestens nach 3 (demnächst 6) Monaten müssen Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht werden. Damit endet die Vollverpflegung und der Hartz-IV-Satz reicht oft nicht aus. Aber auch die "Vollverpflegung" in den Aufnahmelagern ist nach Classen, Mitarbeiter des Berliner Flüchtlingsrats, in vielen Aufnahmestellen "unterirdisch". Statt einer ordentlichen Mahlzeit gebe es vielerorts ein paar Scheiben Brot und ein paar Teebeutel, manchmal auch eine undefinierbare Masse. In jedem Fall sind es zu wenige Kalorien und zu wenige Vitamine. Daher gingen viele Flüchtlinge zusätzlich zu den Tafeln.
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global news 3379 15-10-15: Das deutsche Bildungssystem ist aufstiegs- und integrationsfeindlich
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
(Dieser Rundbrief entstand ursprünglich im Juni noch vor dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle und wurde jetzt überarbeitet und aktualisiert. Er ist relativ lang, dafür aber der vielleicht wichtigste von mir in mehr als 10 Jahren geschriebene Beitrag!)
Angesichts der hohen Zahlen an derzeitigen Flüchtlingskindern kommt das deutsche Bildungssystem als Hauptort für die Integration noch stärker ins Blickfeld, aber auch wegen der Konkurrenz mit einheimischen Kindern um die ohnehin unzureichende Zahl von Kitaplätzen und von Lehrern an den Schulen. Die deutschen Bildungseinrichtungen versagen in dieser Hinsicht schon bisher bei den einheimischen Kindern und bei denen mit Migrationshintergrund noch mehr. Bereits aus diesem Grund sind die Aussichten für die Integration des neuen Zustroms an Flüchtlingskindern schlecht.
Das gilt erst recht, wenn sich der Zustrom an Migranten und deren Kinder noch erhöht, beispielsweise im Falle der gegenwärtig drohenden Besetzung der zweitgrößten syrischen Stadt Aleppo durch die IS oder die Truppen Assads mit der Folge von bis zu 1 Million zusätzlicher Flüchtlinge oder auch, falls die EU der türkischen Regierung in einem Deal über syrische Flüchtlinge einen visafreien Zugang für die 75 Millionen Türken zugestehen sollte.
1. Eine verkrustete Gesellschaft mit stark gebremstem Aufstieg
Aufstiegsmobilität und Chancengleichheit waren quasi heilige Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft, ihr eigentliches Credo und entscheidendstes Element. Wenn schon Einkommen und Vermögen sehr ungleich verteilt sind, so muß Jeder eine Chance haben, sich durch eigene Ausbildung und Arbeit aus der Ungleichheit wenigstens teilweise herauszuarbeiten. Doch mit dem Abbau der Sozialen Marktwirtschaft ist die deutsche Gesellschaftsstruktur jetzt total verkrustet. Das ist umso perverser, als nun durch die demographische Entwicklung immer weniger junge Menschen, die keinen Migrationshintergrund haben, nachwachsen. Der beruhigende, schon gebetsmühlenartige Gesang von der Chancengleichheit ist dennoch ständig auf den Lippen von Regierung und Medien.
Die Kinder kommen schon mit extrem unterschiedlichen Chancen ins Schulalter, je nach Bildungshintergrund der Eltern, Migrationshintergrund, Hartz-IV oder nicht, sowie sonstiger Schichtung (Abb. 18798, 18825, 18824, 18799). An den Kindern mit türkischem Hintergrund zeigt sich die Benachteiligung vom Elternhaus her sehr deutlich, aber auch bei anderen mit Migrationshintergrund, z.B. bei der Vorlesehäufigkeit. Kinder mit Hartz4-Hintergrund sind schon zum Zeitpunkt der Einschulung im Nachteil. Umso wichtiger wäre es, möglichst viele dieser Unterschiede durch ein gutes Schulsystem auszugleichen.
Doch Deutschland ist seit den 70er Jahren in ständiger Annäherung an die Verhältnisse in den USA zu einem der aufstiegsunfreundlichsten Länder verkommen. Das deutsche Schulsystem ist heute bestenfalls Mittelklasse und schafft einzig in der Welt mehr Absteiger als Aufsteiger. Geldbeutel und soziale Herkunft der Eltern sind für schulischen Erfolg und dementsprechend berufliche Entwicklung die wichtigsten Kriterien. Wollten nach einer Analyse von Steffen Schindler für die Vodaphone Stiftung Mitte der 70ger Jahre 80 % der Studienberechtigten aus bildungsfernen Familien an eine Hochschule, sind es heute weniger als 50 %. Der Wert sank zwar auch bei Familien aus dem Bildungsbürgertum, allerdings nur von 90 auf 80 %. Am anderen Ende sind die Einkommensklassen fest zementiert und aufstiegsundurchlässig.
In einer Meinungsumfrage von Infratest dimap im Auftrag von REPORT MAINZ wurden 1000 Bundesbürger nach ihrer Meinung zu den Aufstiegschancen in Deutschland befragt. Bundesbürger, die sich eher zu den unteren Schichten zählen, sehen die Möglichkeiten aufzusteigen besonders kritisch. Die Umfrage zeigt, daß 68 % von ihnen die Aufstiegschancen in Deutschland als weniger oder gar nicht gut empfinden. Nur 29 % bezeichnen sie als sehr gut oder gut. Ähnlich glauben nach der PEW-Umfrage von 2013 nur noch 28 %, daß es ihren Kindern einmal besser gehen werde als ihnen selbst. Dazu der Soziologe Prof. Michael Hartmann:
"Die Wahrscheinlichkeit, daß man in dem gesellschaftlichen Bereich bleibt, in dem man groß geworden ist, ist deutlich gestiegen. Die Chancengerechtigkeit ist seit der Jahrtausendwende deutlich rückläufig. Wenn man in den 60er und 70er Jahren noch relativ häufig erlebt hat, daß Personen aus den unteren Schichten aufgestiegen sind, ist das heute nur noch eine Ausnahme. Im internationalen Vergleich entfernt man sich immer weiter von Ländern mit hoher Chancengerechtigkeit, wie etwa den skandinavischen, und nähert sich Großbritannien oder den USA an."
Auch die deutschen Schullehrer glauben nicht an gleiche Chancen im deutschen Schulsystem. Nach der Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Vodafone Stiftung vom April 2013 glauben fast zwei Drittel der befragten Lehrer, daß Chancengerechtigkeit an deutschen Schulen "gar nicht gut" oder "weniger gut" verwirklicht ist.
Nach einer im Januar 2013 veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hängen die unterschiedlichen Bildungserfolge der Menschen in Deutschland zu mehr als 55 % von ihrem Elternhaus ab. Auch die Ungleichheit zwischen den individuellen Arbeitseinkommen läßt sich zu etwa 40 % durch den Familienhintergrund erklären. Im internationalen Vergleich ist danach das Maß an Chancengleichheit in Deutschland erschreckend gering. Deutschland steht auf einer Stufe mit den Vereinigten Staaten am unteren Ende der Skala für Chancengleichheit. Am anderen Ende der Skala rangiert Dänemark, wo maximal 20 % der Ungleichheit der Arbeitseinkommen auf familiäre Einflüsse zurückgehen. Dabei hat das DIW anstatt Eltern und Kinder zu vergleichen, analysiert, wie ähnlich sich Geschwister sind (Abb. 18996). Wenn ein substanzieller intergenerationaler Zusammenhang vorliegt, sollten sich zwei Geschwister deutlich ähnlicher sein als zwei zufällig ausgewählte vergleichbare Individuen. Der Effekt des Familienhintergrundes wird also indirekt gemessen und dabei auch dem Einfluß genetischer Dispositionen von Talenten und Fähigkeiten innerhalb einer Familie Rechnung getragen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Allensbach-Studie von 2011, wonach 77 % der Kinder, deren Eltern selbst Abitur gemacht haben, ein Gymnasium besuchen. Bei Kindern, deren Eltern eine einfache Schulbildung haben, sind es dagegen nur 29 %. Ähnlich heißt es im 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, wer aus einem ungelernten Haushalt stamme, hätte ein erhöhtes Risiko, selbst ungelernt zu bleiben. 31 % dieser Kinder verblieben in der Position des Vaters. Für diejenigen, die nicht in einer ungelernten Familie aufwachsen, betrage der Vergleichswert 14 %.
Die OECD hat in ihrer Kompetenzstudie von 2013 den Unterschied in der Lesefähigkeit zwischen Erwachsenen mit Eltern ohne Oberschulabschluß und solchen mit Eltern, von denen mindestens ein Teil Universitätsabschluß hat, international verglichen. Nirgendwo, außer in USA ist der Unterschied so groß wie in Deutschland (Abb. 17890). Da also Eltern mit wenig Bildung in Deutschland durchschnittlich oft zu Kindern mit wenig Bildung führen, hat sich dieser Effekt, demgegenüber das deutsche Schulsystem versagt, über die Jahre verstärkt.
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt den Befund:
"Die Dynamik absoluter Aufwärtsmobilität scheint deutlich erlahmt zu sein. Dies bedeutet, dass die Mitte nicht mehr aus dem Zustrom von Aufsteigern wächst."
Diese Studie führt vor, wie deutsche Schulen doppelt so viele Absteiger wie Aufsteiger produzieren. So wurden im Schuljahr 2010/2011 50.000 Schüler auf eine niedrigere Schulform geschickt, nur 23.000 auf eine höhere. In der Sprache der Bildungsbürokratie heißt das dann "Abschulung". Das deutsche Schulsystem ist also vor allem in eine Richtung durchlässig: nach unten. Kinder aus bildungsfernen Familien schaffen es in Deutschland viel seltener ans Gymnasium und ins Studium als Mitschüler aus dem Bildungsbürgertum.
In den meisten OECD-Ländern ist die intergenerationale Bildungsmobilität nach oben hin stärker ausgeprägt als nach unten - anders ausgedrückt: Der Anteil der jungen Erwachsenen, die ein höheres Bildungsniveau erreichen als ihre Eltern, ist höher als der Anteil der jungen Erwachsenen, die ein geringeres Bildungsniveau erreichen. In Deutschland ist dies jedoch nicht der Fall: 20 % der 25- bis 34-Jährigen, die nicht mehr an Bildung teilnehmen, ist es dort gelungen, ein höheres Bildungsniveau zu erreichen als ihre Eltern, wohingegen 22 % dieser Altersgruppe ihre Ausbildung mit einem niedrigeren Niveau abgeschlossen haben. Im OECD-Vergleich mit einem Durchschnitt an Aufwärtsmobilität von 37 % gegen Abwärtsmobilität von nur 13 % belegt Deutschland den ungünstigsten Platz (Abb. 15954).
Gleichzeitig nehmen Privatschulen und Privatuniversitäten für die, die bezahlen können, immer mehr zu. Die bildungsbürgerlichen Schichten schicken ihre Kinder vermehrt auf Privatschulen und vertiefen damit die soziale Kluft (Abb. 17297).
Je mehr der deutschen Sprache allenfalls mäßig mächtige Ausländerkinder auf die Grundschulen kommen, umso mehr werden ausreichend betuchte Deutsche ihre Kinder auf Privatschulen mit gutem und zahlreichem Lehrpersonal schicken, was wiederum den Niedergang der öffentlichen Schulen beschleunigen wird. Der Deutsche Philologenverband hat jetzt eine Obergrenze für den Migrantenanteil in Schulklassen gefordert. Nur so könnten Flüchtlinge erfolgreich integriert werden. "Schon wenn der Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache bei 30 Prozent liegt, setzt ein Leistungsabfall ein. Dieser wird ab 50 Prozent dramatisch", sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger.
2. Besonders wenig Bildungs-Aufstieg bei Menschen mit Migrationshintergrund
In den traditionellen Herkunftsregionen der Migration nach Westeuropa wie in Südosteuropa, Nordafrika und im Mittleren Osten sind die Beteiligungsraten der jeweils relevanten Jahrgänge an der tertiären Schul- und Hochschulausbildung sehr viel geringer als in der EU-15 (Abb. 18997). Mit dem Pro-Kopf-Einkommen sinken auch die Investitionen in das Humankapital. Nur der Mittelstand aus Syrien wandert derzeit mit einem höheren als dem traditionellen Bildungsniveau aus.
Der Bildungshintergrund der Eltern wirkt noch über Generationen nach. Das zeigte schon der Mikrozensus von 2009: Kinder aus der ersten Migrantengeneration stammten zu 25 % von Eltern mit niedrigem Bildungsstatus ab. Doch auch Kinder der zweiten bzw. dritten Migrantengeneration hatten noch zu 26 % Eltern mit niedrigem Bildungsstatus. Das verglich sich mit einem Anteil von nur 6 % bei Kindern ohne Migrationshintergrund. Vor allem bei Herkunft aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien sind die Anteile von Kindern, deren Eltern nur einen niedrigen Bildungsabschluß haben mit 45 % bzw. 33 % sehr hoch (Abb. 17843). Nur 20 % der Kinder mit türkischem Hintergrund wird von der Schule der Übergang aufs Gymnasium empfohlen, viel weniger als die 49 % bei Kindern ohne Migrationshintergrund.
Hinzu kommt in türkischen Familien der begrenzte Gebrauch von Deutsch als Hauptsprache. Hauptsächlich Deutsch sprechen nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts nur 38 % der Mädchen und 45 % der Jungen. Dabei erreichen 9-12-jährige Kinder, in deren Familien nur Türkisch gesprochen wird, im Durchschnitt nur eine Deutschnote von 2,84 gegenüber 2,39 für Kinder aus Familien, in denen nur Deutsch gesprochen wird. Daß ausgerechnet die türkischen Mädchen noch gegenüber den Jungen zurückliegen, verspricht Schwierigkeiten bei der Integration der von diesen Mädchen aufgezogenen nächsten Generation.
Nach einer neuen Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) geben von den zugewanderten Eltern nur 14 % ihr Kind vor dem dritten Geburtstag zur Betreuung in fremde Hände, von den übrigen Müttern und Vätern waren es 2011 mehr als doppelt so viele, nämlich 30 %. Das hat direkte negative Auswirkungen auf spätere schulische Leistungen. So haben etwa türkischstämmige Kinder, die mehr als drei Jahre im Kindergarten waren, nur zu 19 % entsprechenden Förderbedarf - diejenigen, die nur ein Jahr dort waren, dagegen zu 61 %. Vor diesem Hintergrund wird sich das Elterngeld verhängnisvoll auswirken, weil es diese Kinder vom Kindergartenbesuch mit seinen Integrationswirkungen abhalten wird. Schon jetzt begründen nach der Studie mehr als ein Drittel der Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, diesen Schritt mit den Kita-Kosten. Erfahrungen aus Norwegen zeigten, dass vor allem sozial benachteiligte Familien lieber das Geld nehmen als den Krippenplatz.
Schon jetzt ist in Deutschland der Anteil an Immigranten mit berufsqualifizierendem Bildungsabschluß sehr niedrig (Abb. 18828). Darüber dürfen die nun eintreffenden Syrer aus dem Mittelstand mit besserer Bildung nicht hinwegtäuschen. Die Türken mit besonders niedrigem Anteil wohnen meist schon in der zweiten Generation in Deutschland. Das deutsche Schulsystem hat daran wenig ändern können.
3. Ein aufstiegsfeindliches Schulsystem
Vor allem ist das deutsche Grundschulsystem, das für die Entwicklung der sozial Benachteiligten und der Kinder mit Migrationshintergrund so große Bedeutung hat und in dem die Weichen für die späteren Bildungskarrieren bis zur Hochschulreife gestellt werden, notorisch unterfinanziert. Dies hat zur Folge, daß in Deutschland die Klassen größer sind, mehr Schüler auf eine Lehrkraft kommen (Abb. 13806) und die Schüler auch weniger Unterrichtsstunden haben, besonders zwischen 7 und 8 Jahren.
Im internationalen Wettbewerb werfen die meisten Länder steigende Mittel in die Bildung. 1995 gab Deutschland 5,1 % seines BIP für Bildung aus und hat diesen Anteil bis 2011 nicht weiter gesteigert. Die meisten anderen Länder haben dagegen je Schüler real deutlich mehr zugelegt. So lag Deutschland bei den Bildungsausgaben 2011 nur noch auf dem vorletzten Platz unter westlichen Ländern (Abb. 18826).
Angesichts der hohen Zahl an Kindern und Jugendlichen in der derzeitigen Flüchtlingswelle und der noch größeren aus der künftig zu erwartenden Familienzusammenführung wird es überall an Lehrern fehlen. Das gilt vor allem bei Lehrern, die selbst einen Migrationshintergrund haben und damit besser geeignet sind, Schüler mit Migrationshintergrund zu integrieren. Laut Einschätzung des Philologenverbands fehlen schon jetzt in Deutschland bis zu 30.000 Lehrer. Der Mangel verschärfe sich derzeit vor allem in Ostdeutschland, wo eine große Pensionierungswelle rolle. Zu allem Überfluss kehrten wegen der schlechten Einstellungssituation immer mehr Nachwuchslehrer dem Gymnasium den Rücken. In diesem Schuljahr seien an den bundesweiten Gymnasien rund 10 % weniger Lehrkräfte als im Vorjahr neu eingestellt worden.
Fazit: Mit diesem Bildungssystem, das schon in der Vergangenheit versagt hat und sich mit einem aufstiegsfeindlichen Sozialsystem liiert, werden wir eine Mindest-Chancengleichheit in der einheimischen Bevölkerung und schon gar eine ausreichende Integration von Millionen an neuen Zuwanderern und ihren Kindern nicht schaffen können. Das Ergebnis kann nur eine rasant wachsende Unterschicht sein, wobei sich niedrigqualifizierte Einheimische und Zugewanderte eine erbitterte Konkurrenz liefern werden. Schon jetzt stellen im Altbundesgebiet die Niedrigqualifizierten bei den Deutschen 41 % und bei den Nicht-Deutschen 63 % aller Arbeitslosen (Abb. 18381). Es braucht eine Revolution im Bildungssystem, sofort! Mit Schäubles Liebe für die "schwarze Null" und mit der Aversion der Bundesregierung gegen Steuererhöhungen für Besserverdiener ist das sicher nicht zu schaffen.
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global news 3378 12-10-15: Die nächste Flüchtlingswelle kommt aus Afrika mit einem Vielfachen der derzeitigen
(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)
Die derzeitige deutsche Diskussion um eine eventuelle Begrenzung der Flüchtlingsflut und um die Grenzen der Integration nimmt sich schon fast komisch aus, wenn man sie an dem mißt, was Europa in den kommenden Jahrzehnten allein aus dem benachbarten Kontinent Afrika zu erwarten hat. Dort leben zurzeit 1,19 Milliarden Menschen. Dank hoher Geburtenraten, vor allem in den islamischen Ländern, werden es nach den Voraussagen des UN Bevölkerungsprogramms in 35 Jahren bereits 2,45 Milliarden sein, oder mehr als doppelt so viele. Die unter 25 Jahre werden von derzeit 0,72 Milliarden auf 1,25 Milliarden zunehmen oder um drei Viertel mehr. Dann würden 37 % aller Menschen der Welt unter 25 Jahre allein in Afrika leben. Doch angesichts der Begrenzung der Arbeitsplätze und der Ernährungssituation sowie anhaltender Bürgerkriege werden sehr viele zur Auswanderung gezwungen sein.
Die Hauptauswanderungsrichtung wird das benachbarte Europa sein. Seine Bevölkerung wird bis dahin von 738 Millionen auf 707 Millionen oder wenig mehr als ein Drittel der afrikanischen absinken und voraussichtlich immer noch in relativem Wohlstand leben (Abb. 18994). Die klassischen Einwanderungsländer USA, Kanada und Australien werden ihre Grenzen dicht halten. Nach Asien oder Südamerika werden die Auswanderer aus Afrika kaum ziehen wollen oder können. Es bleibt also nur Europa als sicherer Hafen für Flüchtlinge aus materieller Not und solche aus Bürgerkriegen.
Die große Frage ist: Wie viele Afrikaner werden sich auf den Weg nach Europa machen? Diese Frage hat sich auch Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, der Militärdemographie am NATO Defense College (NDC/Rom) und an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAK/Berlin) lehrt, gestellt. Er verweist auf eine globale Gallup-Umfrage von 2009. Schon damals wollten 38 % der in den Subsahara-Ländern Befragten dauerhaft auswandern, wenn sich die Gelegenheit dafür ergäbe, der weitaus größte Anteil um den Globus herum (Abb. 18993).
Bis zum Jahr 2050 dürfte der Anteil der Auswanderungsinteressierten noch erheblich zugenommen haben. Selbst wenn er nicht weiter stiege und nur die Hälfte der 2009 an der Auswanderung Interessierten den Plan bis dahin umsetzen würde, wären das bei einer Gesamtbevölkerung von 2.123 Mio. Menschen, die dort um das Jahr 2050 leben sollen, mehr als 400 Mio. Menschen oder 19 % der Gesamtbevölkerung. Allein durch die Zuwanderung aus Subsahara-Afrika würde sich die Bevölkerung in Europa um 60 % erhöhen, die Deutschlands bei einer weiter einseitigen Verteilung noch viel mehr. Wie erwähnt wird dabei unterstellt, daß nur ein sehr kleiner Teil in Länder außerhalb Europas auswandern kann oder will.
Je mehr Flüchtlinge Europa jetzt aufnimmt, umso größer auch der Sog auf Afrika. Die deutschen Willkommenssignale werden im Zeitalter der globalen Digitalisierung in Afrika ebenso empfangen wie in den Flüchtlingslagern der Syrer oder in Afghanistan. Die Fluchtwege aus Subsahara-Afrika an das Mittelmeer sind bereits breit getrampelt (Abb. 18995). Die Nordafrikaner, von denen ebenfalls viele fluchtbereit sind, leben direkt vor der europäischen Haustür. Will man beim Asylrecht dann wirklich einen Unterschied machen zwischen denen, die vor dem Hungertod fliehen, und denen, die von Bürgerkriegen vertrieben werden, zumal Hunger und Bürgerkriege oft zusammengehen werden?
Ob sich wohl "Mutti Merkel" mit ihren ausgebreiteten Armen und ihrem Selfie-Lächeln dieser Situation bewußt ist? Will sie ihre Überzeugung, daß das Asyl keine Obergrenze hat, durchhalten, wird die EU sehr bald zerbrechen und Deutschland auch. Es wird ausreichend geschützte Außengrenzen geben müssen, wenn die EU erhalten bleiben soll.
Doch Frau Merkel spielt die Ohnmächtige: es läge nicht in unserer (meint: ihrer) Hand, wie viele Flüchtlinge zu uns kommen - eine total verlogene Behauptung. Ebenso haben sich deutsche Politiker immer als gegenüber der Globalisierung ohnmächtig erklärt und damit Maßnahmen, wie Hartz 4 rechtfertigt. So Gerhard Schröder: "Man darf ja nicht darüber hinwegsehen, daß die Globalisierung uns zu bestimmten Maßnahmen zwingt ". Oder Bundespräsident Köhler: "Die Welt ist in einem tief greifenden Umbruch. Wer hier den Zug verpaßt, bleibt auf dem Bahnsteig stehen". Auch der frühere Brüsseler Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) argumentierte: "Wir müssen unsere Volkswirtschaften bewußt dem Wettbewerb aussetzen. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in billiger produzierende Länder ist nicht mehr aufzuhalten." Die Ohnmacht ist immer vorgespielt, wenn man die Wahrheit nicht einräumen will.
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Quelle und weiterlesen: http://www.jjahnke.net/rundbr115.html#3387
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