Samstag, 12. September 2015

Länderinnenminister: "Sie öffnen die Grenzen und lassen uns im Stich"

Eine Reportage von Von Melanie Amann, Matthias Gebauer und Horand Knaup In Afghanistan, so wurde die deutsche Botschaft in Kabul wiedergegeben, gebe es Anzeichen, dass die Regierung eine Million Pässe ausgestellt habe, die die Ausreise nach Europa ermöglichten.40.000 Flüchtlinge erwartet Außenminister Frank-Walter Steinmeier - allein für dieses Wochenende. Noch gilt zwar die Devise der Bundeskanzlerin: "Wir schaffen das." Der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), preist die Arbeit von Kanzlerin und Bundesregierung als "eine der größten Leistungen, die sie bisher erbracht haben". Und Burkhard Lischka, der innenpolitische Sprecher der SPD geißelt es als "billigste Stimmungsmache", wenn Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU verkündet, man habe "die Kontrolle verloren". Doch genau das fürchten die Bundesländer. An der Front der Krisenhelfer nimmt die Not täglich zu, und die Stimmung wird gereizter. Nun haben die Innenminister einander eingestanden: Wir sind am Limit. Fünf Telefonkonferenzen haben sie zwischen Donnerstagabend und Freitagmittag in verschiedener Zusammensetzung abgehalten, die Stimmung in der Leitung war laut, gereizt, vielstimmig. Mehrfach schaltete sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière persönlich zu. Aber auch er hatte wenig Tröstliches parat. "Sind wir uns einig, dass wir am Limit sind und bald keine Flüchtlinge mehr aufnehmen können?" fragte am Donnerstag nach teilweise ruppigen Auseinandersetzungen einer der Teilnehmer. Niemand widersprach. Schlimmer noch, ein Ministerialer brachte es so auf den Punkt: "Wir befinden uns im Flugzeug, dem der Sprit ausgeht, und wir wissen nicht, was wir tun sollen." Die Länder haben den Eindruck, dass die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam die Türen für Flüchtlinge geöffnet hat, sie mit den Folgen aber weitgehend sich selbst überlässt. "Sie öffnen die Grenzen und lassen uns im Stich", schleuderte einer der Teilnehmer der Schalte am Donnerstag Innen-Staatssekretärin Emily Haber entgegen. Die räumte "eine neue Sachlage" ein, nachdem Österreich die Migranten quasi durchwinke. Sie konterte nicht minder aufgebracht: "Für die Unterbringung sind immer noch die Länder zuständig." Das stimmt, hilft jedoch nicht weiter. Denn die Befunde, die in den beiden letzten Tagen ausgetauscht wurden, waren desaströs. Nur noch zwei Bundesländer hatten am Freitag überhaupt Unterkünfte zur Verfügung, insgesamt 850 Plätze. 14 Länder meldeten dem Bundesministerium des Innern: Wir sind vorerst voll. Die Kapazität in den nächsten Tagen und Wochen ist ebenfalls minimal, gemessen an den 40.000 Menschen, mit denen am Wochenende zu rechnen ist. So meldete Brandenburg, man habe "50 und 100 (Plätze) ab der 38. KW", Hamburg schafft 150 Plätze und Niedersachsen 300. Hessen und Schleswig-Holstein beklagten Züge voll mit Flüchtlingen, die ohne Ankündigung auf Frankfurt und Kiel zurollen. Dazu kommen beunruhigende Nachrichten aus dem Ausland: In Griechenland setzen weiter täglich zwischen 2.000 und 4.000 Flüchtlinge von den Inseln auf das Festland über. Eine Registrierung finde kaum noch statt. Das UNHCR zählt über 40.000 Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze. Öffentlich bemühen sich die Verantwortlichen in Bund und Ländern zwar noch, Zuschreibungen wie "Chaos", "Notstand" oder "Katastrophe" für das dramatische Durcheinander zu vermeiden. Niemand will die beispiellose Unterstützung der Zigtausend freiwilligen Helfer, Vereine und Ehrenamtlichen gefährden. Anmerkung von mir: Hier wird die deutsche Hilfsbereitschaft von der Regierung aufs Unverschämteste ausgenutzt. Fachleute stellen sich zudem längst die Frage, warum das Katastrophen-Managementsystem Lükex, eine regelmäßige Übung mit obersten Krisenstäben von Bund und Ländern, nicht zum Einsatz kommt. Ziel von Lükex ist es, "die übergreifende Reaktionsfähigkeit in außergewöhnlichen Krisenlagen zu verbessern", wie es im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt. Die außergewöhnliche Krisenlage ist eingetreten. Quelle und weiterlesen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/innenminister-warnen-vor-noch-mehr-fluechtlingen-a-1052575.html

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